Lisa, Nova
„Ich möchte Ihnen ein Geschäft vorschlagen.“
Lisa war nervös aber fest entschlossen, als sie vor dem Mann stand, den sie nur flüchtig kannte.
Eduard Packard gehörte zu den reichen Bewohnern der Nova. Er hatte Geld, er hatte Macht, er hatte Sklaven und viele Schuldner. Wenn er neue Sklaven brauchte, pochte er auf die Einhaltung eines Vertrages, forderte Schulden ein und bekam neue Sklaven.
Sie selbst war arm. Sie hatte nie etwas besessen, abgesehen von einem attraktiven Körper und ihrer Jugend. Sie war erst 14 Jahre alt. Das war alles was sie hatte: Schönheit und Jugend. Seit gestern hatte sie nicht einmal mehr ihre Mutter.
Der Mann sah sie interessiert an.
„Meine Mutter ist gestorben, gestern. Ich brauche Geld für ihre Bestattung, ich möchte sie nämlich nicht dem Konsulat zur Wiederaufbereitung überlassen.
Außerdem brauche ich Geld für eine Passage auf einem Shuttle.
Das ist zusammen viel Geld, mehr Geld als ich zusammenbekommen kann.“
Sein Blick blieb ausdruckslos.
„Ich weiß, dass meine Mutter bei Ihnen Schulden gemacht hat. Nicht viel, ein paar hundert Dollar. Ich könnte das Erbe ausschlagen und versuchen so zu überleben, ihren Körper dem Konsulat überlassen und versuchen durchzukommen.
Vielleicht würde ich es schaffen, vielleicht auch nicht.
Stattdessen bin ich bereit die Schulden zu übernehmen, wenn sie bereit sind mir mehr zu leihen, das Geld jetzt um meine Mutter anständig zu bestatten, und das Geld für eine Fahrt mit dem Shuttle. Dafür bin ich ihre Sklavin, freiwillig für 10 Jahre.
Ich habe nur zwei Bedingungen: Ich möchte an der Bestattungs-Zeremonie meiner Mutter teilnehmen und wenn ich Kinder bekomme, nehme ich sie am Ende mit, egal wer der Vater ist. Sie werden dann, nach Ablauf dieser 10 Jahre für mich und meine Kinder eine Fahrt mit dem Shuttle weg von hier finanzieren, zu einem anderen Schiff meiner Wahl.“
„Das ist ein ungewöhnlicher Vorschlag.“
„Ich weiß“
Er saß in einem schwarzen Sessel, hinter einer großen, gläsernen Platte die in der Luft schwebte. In die Platte eingelassen waren verschiedene Tasten und die Tastatur für seinen Computer. Eine metallene Stange war alles was von dem holografischen Bildschirm zu sehen war, wenn er wie jetzt gerade nicht hochgefahren war.
Das holografische Abbild seiner Frau und seiner drei Kinder schwebte über dem Schreibtisch. Es war eine elegante Frau in einem grauen, sehr elegant wirkenden Kleid und drei hübsche Kinder mit runden, satten Gesichtern und fröhlichen Augen. Das Älteste von ihnen war vielleicht so alt wie Lisa, vielleicht etwas jünger. Ein Mädchen mit langen blau-grauen Haaren und braunen, unschuldigen Augen, die Haut etwas heller als die ihres Vaters und etwas dunkler als die ihrer Mutter. Sie hatte noch eine Mutter, hatte einen Vater und würde kaum jemals vor einem Mann stehen, der 30 Jahre älter war als sie um sich ihm als Sklavin anzubieten.
Die Wände des Arbeitszimmers waren mit echtem Holz verkleidet, der Boden mit einem dicken Teppich belegt. Auf Regalböden aus Glas standen Figuren und Skulpturen, einige Bücher und eine Reihe von Pads. An den Wänden hingen Gemälde. Die Sessel waren mit Leder bezogen und passten sich perfekt dem Körper eines Menschen an.
Lisa schätzte, das der Raum in dem sie mit ihrer Mutter gelebt hatte etwas größer als sein Schreibtisch war. Ein Bett hatten sie gehabt, einen Computeranschluss und ein paar Fächer in der Wand. Klo und Wasser gab es den Gang hinunter in erbärmlichen Zustand. Wände, Decke und Boden waren aus nacktem Metall, fleckig, teils zerschrammt, Leitungen wurden notdürftig gepflegt und die Lebenserhaltung war fehlerhaft, so dass die Luft schlecht und meistens etwas stickig war.
Ihre Mutter war krank geworden und seitdem hatte Lisa es übernommen für sie zu sorgen.
Sie war jung und hübsch, sie bekam noch Geld, Nahrung und Ersatzteile für Sex, genug um sich und ihre Mutter durchzubringen, und einmal um einen Arzt dazu zu bewegen nach ihrer Mutter zu sehen und ein paar Medikamente da zulassen, die das Leiden um einige Monate verlängerten.
Sie würde noch eine Weile so durchkommen, zwischendurch andere Jobs machen, irgendetwas was Geld brachte und keine Ausbildung brauchte. Ihre Mutter hatte das Geld für die Schule irgendwie zusammenbekommen, doch als sie krank wurde, hatte Lisa die Schule abgebrochen.
Wenn sie auf der Nova blieb, würde sie wie ihre Mutter enden: Mit 42 an einer Krankheit sterben, an schmutzigem Wasser, zu wenig Essen, zu viel Arbeit und der ständigen Angst die einen aufzehrte. Sie würde Kinder haben, ein paar Fehlgeburten und einige Jahre in Sklaverei gelebt haben. Sie würde erleben wie ihr immer weniger Geld geboten wurde, wie sie alt und krank wurde um am Ende in irgendeinem Loch zu verrecken, mit einem Kind das vor Verzweiflung schrie, beim Anblick der toten Mutter.
Der Mann vor ihr war vermutlich älter als ihre Mutter, aber er sah jünger aus. Er nahm das Lesepad, das Lisa ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte und begann zu lesen.
„Den Vertrag hat dir ein Jurist aufgesetzt.“
Sie nickte.
„Woher hast du das Geld?“
„Ich habe ihn nicht mit Geld bezahlt.“
„Sondern?“
„Mit Sex.“
Er lächelte. „Du gefällst mir, du weißt was du hast, und wie du es einsetzen kannst. Dein Plan ist gut, er ist durchdacht und zeugt von Weitsicht. Du bist bereit jetzt etwas einzusetzen, um in 10 Jahren dein Ziel zu erreichen. Und du hast Ziele und setzt dich für diese ein. Das gefällt mir.“ Er lehnte sich zurück. „Zieh dich aus.“
Sie stand auf, zog sich aus, drehte sich um ihm einen Blick auf ihren Körper zu gewähren. Er wollte natürlich die Ware begutachten.
„Ok, ich bin einverstanden. Du wirst für 10 Jahre Sklavin sein. Damit sind die Schulden deiner Mutter abgegolten, und ich kümmer mich darum, dass sie eine anständige Bestattung bekommt. Bei der Zeremonie wirst du als ihre Tochter dabei sein, von Anfang bis zum Ende.
Sind die 10 Jahre um, kaufe ich für dich und deine Kinder, wenn du bis dahin denn welche hast, eine Passage auf einem Shuttle zu einem Schiff deiner Wahl. Kinder, die du in den nächsten 10 Jahren bekommst, gehören zu dir, egal wer der Vater ist.
Das sind die Bedingungen.“
„Ja.“
Er legte seine Hand auf den Pad und machte so einen Handscann, dann legte Lisa ihre Hand ebenfalls auf den Pad, als Zeichen ihre Einverständnisses und er lud den Inhalt ihres Vertrages auf den Server des Konsulat.
Als sie nach ihrem Kleid griff um sich wieder anzuziehen, winkte er ab.
„Nicht so hastig, du bist meine Sklavin, von diesem Moment an. Bleib wie du bist, setz dich auf den Schreibtisch. Ich kümmer mich noch schnell um die Formalitäten der Bestattung, dann komm ich zu dir. Ehe ich einen Käufer für dich finde, will ich doch selbst noch etwas von dir haben.“
10 Jahre später stand sie wieder vor ihm.
Seit dem war viel geschehen, genug um sie erkennen zu lassen, dass Eduard Packard, so streng er ihr damals vorkam, kein wirklich harter Herr war. Sie hatte erfahren, was ein grausamer Herr war und sich immer wieder gefragt ob es das wert war.
Diesmal standen sie in einem der Andockbereiche der Nova. Der Boden war aus hellem Metall, wie die Wände und Decke. Hellgraues, glattes, sauberes und schmucklosese Metall. Nur ein dunkelgrauer Streifen, etwa in Schulterhöhe eines erwachsenen Menschen, setzte sich von dem eintönigen hellen Grau ab. Es war sauber, freundlich und kühl. Menschen waren um sie. Menschen die unterwegs waren, oder standen und saßen und warteten. Menschen die offensichtlich Geld hatten, oder Menschen die hier arbeiteten, die anderen dienten und sofort zu erkennen waren daran wie einfach ihre Kleidung war, wie gebeugt ihr Rücken war und wie hungrig ihr Blick.
An der Hand hielt Lisa einen kleinen Jungen und auf dem Rücken hatte sie einen kleinen Rucksack mit dem Wenigen, das tatsächlich ihr gehörte. Ihre Augen waren hart und müde geworden, ihre Schultern hatten sich gebeugt, ihr Hand zitterte leicht, als sie das Ticket nahm, dass Eduard Packard ihr reichte.
„Viel Glück“ sagte er, beugte sich zu dem Junge, der sich hinter den Beinen seiner Mutter versteckte. „Machs gut, Liam, du kannst stolz auf deine Mutter sein.“
„Leben sie wohl“ sagte Lisa, ein Lächeln brachte sie nicht über sich.
Sie drehte sich um, ihren Sohn an der Hand, und ging in Richtung der Schleuse zu ihrem Shuttle, das sie wegbringen würde.
Der Mann, der sie damals verkauft hatte, sah ihr nach. Sie gefiel ihm immer noch. Er schätzte Initiative und Einsatz. Als sie durch die Tür verschwunden war, drehte er sich um und ging nach Hause, zu seiner Frau und seiner kleinen Enkeltochter, deren Vater nicht der Herr sondern der Ehemann seiner Tochter war.